Eine Zusammenstellung der bedeutendsten Lyrik der spanischen Sprache seit dem 14. Jahrhundert. In dieser Entwicklung ist die Abkehr vom rein poetischen Naturbeschrieb und der Gotteshuldigung hin zu einer sozialen Dringlichkeit in der Sprache zu beobachten, deren Aushängeschild im 20. Jahrhundert der Chilene Pablo Neruda bildete. Je weiter man sich vom Mittelalter zur Gegenwart liest, desto augenfälliger wird, wie sehr die zeitgenössischen Dichter:innen in direktem Dialog mit ihren Vorgängern standen.
Beim argentinischen Musiker Atahualpa Yupanqui (dessen Vornamen interessanterweise auch der des letzten Inkakönigs war) finden wir im Werk "El poeta" eine direkte Kritik am Dichterdasein und wie es alternativ gelebt werden könnte, damit prätentiöse Eitelkeit mit mehr Humanismus substituiert wird:
Du meinst, du wärst was Besonderes,
weil du dich Dichter nennst
und eine Welt jenseits der Sterne
dir alleine gehört.
So lange hast du den Mond betrachtet,
dass du gar nichts mehr siehst.
Du bist wie ein armer Blinder,
der nicht weiß, wohin er geht.
Sieh dir die Männer im Bergwerk an,
die Männer auf dem Feld,
und singe für die, die kämpfen
um ein Stückchen Brot.
Dichter zärtlicher Verse,
gehe und lebe im Wald,
da wirst du vieles erfahren,
vom Holzfäller und seiner Not.
Lebe unter dem Volk,
betrachte es nicht von oben herab,
denn die oberste Pflicht ist ein Mensch zu sein,
erst die zweite ein Dichter.
So lange hast du den Mond betrachtet ...
Auch hervorzuheben ist der Text "Manifesto" vom Chilenen Nicanor Parra Sandoval, der die Notwendigkeit der Dichtung in folgendem Abschnitt beschreibt:
Für unsere Vorfahren
war die Dichtung ein Luxusgegenstand,
aber für uns
ist sie eine höchst notwendige Sache:
wir können nicht leben ohne Dichtung.
und weiter:
Der Glanz der Dichtung
muss alle gleichermassen erreichen,
Dichtung ist für alle da.
Dies unterscheidet Lyrik von der Philosophie: Allen sollte es möglich sein sich von der Ästhetik und Kraft der Worte tragen zu lassen und für einmal die Sinne anstatt den Intellekt zu gebrauchen. So heisst es auch vom Dichter John Keats im Film "Bright Star":
"A poem needs understanding through the senses. The point of diving into a lake is not immediately to swim to the shore but to be in the lake, to luxuriate in the sensation of water. You do not work the lake out, it is an experience beyond thought. Poetry soothes and emboldens the soul to accept the mystery."
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